Die Kinder erblicken in der kleinen Mulde eine Feuerkugel, die leuchtet wie die Sonne, und darin immer deutlicher eine frauliche Gestalt, die auf einem Steinblock sitzt, das Gesicht in den Händen vergraben hält – und weint. Dann steht sie auf, geht einige Schritte auf die Kinder zu und diese ihrerseits kommen den Hang herunter und treten ganz nahe heran. So können sie die Gestalt genau sehen. Sie ist groß und strahlt in hellem Licht. Sie trägt ein langes, weißes Gewand, eine goldgelbe Schürze, ein Halstuch und eine einfache Haube. Auf ihrem Haupt leuchtet ein Diadem und auf ihrer Brust ein Kreuz mit Hammer und Zange auf dem Querbalken. Aller Lichtglanz geht von diesem Kreuz aus. Dann teilt Maria den beiden Zeugen ihre große Botschaft mit.
Kommt näher, Kinder, habt keine Angst! Ich bin hier, um euch eine grosse Botschaft mitzuteilen. Wenn mein Volk sich nicht unterwerfen will, bin ich gezwungen, den Arm meines Sohnes fallen zu lassen. Er lastet so schwer, dass ich ihn nicht länger stützen kann. So lange schon leide ich um euch! Wenn ich will, dass mein Sohn euch nicht verlässt, muss ich ihn unablässig für euch bitten. Aber ihr macht euch nichts daraus! So viel ihr auch betet und tut: Nie werdet ihr die Mühe vergelten können, die ich für euch auf mich genommen habe.
Ich habe euch sechs Tage zum Arbeiten gegeben und den siebten mir vorbehalten, und man will ihn mir nicht geben. Das ist es, was den Arm meines Sohnes so schwer macht. Die Fuhrleute können nicht fluchen, ohne dabei den Namen meines Sohnes zu missbrauchen. Das sind die zwei Dinge, die den Arm meines Sohnes so schwer machen!
Wenn die Ernte verdirbt, geschieht es nur euretwegen. Ich habe es euch im vergangenen Jahr an den Kartoffeln gezeigt. Ihr habt euch nichts daraus gemacht. Im Gegenteil, wenn ihr verdorbene Kartoffeln gefunden habt, habt ihr geflucht und dabei den Namen meines Sohnes missbraucht. Sie werden weiter verderben, und dieses Jahr an Weihnachten wird es keine mehr geben.
Versteht ihr mich nicht, Kinder? Ich werde es euch anders sagen.
Wenn ihr Getreide habt, so sät es nicht! Alles, was ihr sät, werden die Tiere fressen, und was etwa aufgeht, wird beim Dreschen in Staub zerfallen. Es wird eine grosse Hungersnot kommen. Bevor die Hungersnot kommt, werden die Kinder unter sieben Jahren von einem Zittern befallen und in den Armen jener sterben, die sie halten. Die andern werden durch die Hungersnot Busse tun. Die Nüsse werden wurmstichig, und die Trauben werden verfaulen.
Wenn sie sich bekehren, werden die Steine und Felsen zu Getreidehaufen werden, und die Felder werden von Kartoffeln übersät sein.
Verrichtet ihr euer Gebet gut, Kinder?
Nein, nicht gerade gut, Madame.
Ach, Kinder, ihr müsst gut beten, am Morgen und am Abend, auch wenn es nur ein Vaterunser und ein Ave Maria wäre, falls ihr es nicht besser machen könnt. Aber wenn ihr es besser machen könnt, dann betet mehr!
Im Sommer gehen nur ein paar ältere Frauen zur Messe. Die andern arbeiten am Sonntag den ganzen Sommer hindurch. Im Winter, wenn sie nicht wissen, was tun, dann gehen sie zur Messe, aber nur, um sich über die Religion lustig zu machen. In der Fastenzeit laufen sie wie die Hunde in die Metzgerei.
Habt ihr nie verdorbenes Getreide gesehen, Kinder?
Nein, Madame, antworten die beiden wie aus einem Mund.
Aber du, Kind, du musst schon solches gesehen haben, in der Gegend von Coin, mit deinem Vater. Der Besitzer des Feldes sagte zu deinem Vater: Kommt und seht, wie mein Getreide verdirbt! Ihr seid dann hingegangen und habt zwei, drei Ähren in die Hand genommen und zerrieben, und alles ist in Staub zerfallen. Dann, auf dem Heimweg, als ihr nur mehr eine halbe Stunde von Corps entfernt wart, gab der Vater dir ein Stück Brot und sagte: Nimm, mein Kind, und iss noch Brot, denn
ich weiß nicht, wer im nächsten Jahr noch Brot hat, wenn es mit dem Getreide so weitergeht!
Ach ja, Madame, antwortet Maximin, jetzt erinnere ich mich wieder. Ich dachte nur nicht mehr daran!
Nun, Kinder, teilt dies meinem ganzen Volke mit!
Kinder, teilt dies gut meinem ganzen Volke mit!
Der zuständige Bischof von Grenoble, Philibert de Bruillard, veranlasste eine „genaue und strenge Prüfung des Ereignisses, der
Zeugen, der Botschaft und ihres Widerhalls” und sprach zum fünften Jahrestag der Erscheinung in einem Hirtenschreiben die offizielle Anerkennung aus. Der entscheidende Satz darin:
„Wir erklären, dass die Erscheinung der Allerseligsten Jungfrau … in der Pfarrei La Salette … am 19. September 1846 … alle Merkmale der Echtheit aufweist und dass die Gläubigen berechtigt sind, sie als unzweifelhaft und sicher anzunehmen.” Der
Auftrag ergeht an alle, die von La Salette Kunde erhalten: „Teilt dies meinem ganzen Volke mit”, diese Botschaft und diesen Geist der Versöhnung.